Treptower Park

Und dann im Februar,

auf dem Weg nach Kandaha,

liegst du zitternd auf dem Boden,

während andere in’s Kino geh’n.

Regen. Nieselregen. Später Sonne. Die Luft ist satt, trotzdem noch angefüllt mit Blumenladenduft. Ein Polizeiauto dreht seine Runden. Dauerläufer dehnen sich. Unfreundliche Psychotiker beschimpfen Hundebesitzer. Freundliche Psychotiker umrunden manisch Statuen.

Drei Tage nach dem Tod eines deutschen Soldaten in Afghanistan wird auf dem Gelände des sowjetischen Ehrenmals im Treptower Park/Berlin den gefallenen Soldaten der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg gedacht – 8.Mai 2013. Zwischen Kondolenzkränzen deutsch-demokratischer Traditionalistenverbände und LIDL-Sträußen steht ein Glas Wodka mit Brot.

Ein russisches Sprichwort sagt: „Овчинка стоит выделки“ – „Das Schaffell lohnt das Gerben“. Wohl dann.

5-2013 Berlin-013

Ex-Freizeitparks

Nimm mich mit auf den Rummel!

Zwei Brüder. Der Jüngere: Besitzer eines kleinen Freizeitpark-Maskottchens in Hasenform mit langen Ohren. Der Ältere: Ungestüm, wüst und teilweise auch recht grimmig. Eines Tages: Streit Streit Streit. Wo Worte versagen, müssen Taten her. Die Unfähigkeit zur Kommunikation wird durch das Abschneiden der Freizeitpark-Maskottchen-Ohren kompensiert. Streit Streit Streit.

Eine Stadt. Die eine Hälfte: Real existierender Sozialismus und Besitzerin eines Freizeitparks. Die andere Hälfte: Klassenfeind mit Anbindung an den westlichen Imperialismus. Eines Tages: Wende Wende Wende. Wo Haushaltsmittel ausgehen, müssen private Investoren her. Die Unwilligkeit zur Investition wird mit Drogenschmuggel kompensiert. Streit Streit Streit.

Im Herzen von Berlin, kurz hinter dem sowjetischen Denk/Mahn/Ehrenmal, liegt der VEB Kulturpark Plänterwald. Ehemaliger Rummelplatz für den volkseigenen Freizeitspaß. Wo sich früher in heiteren Stunden von der Erfüllung des sozialistischen Plansolls erholt wurde, ist heute die Erotik des Verfalls zu bewundern. Zwischen umgefallenen Dinosauriern und bemoosten Kaffee-Tassen-Karussels nimmt einen die ehemals volkseigene Bimmelbahn für schlappe 2€ mit auf die Reise in die Zukunft durch die Vergangenheit. Glücklicherweise verfügt der Rummel-Reisende heute meist über digitale Kameras, denn die analogen Recycling-Kameras von Kodak sind leider seit ein paar Tagen ausverkauft. Streit Streit Streit.

5-2013 Berlin-163

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Verfall

Für alles gibt es eine Zeit –

Zeit für jedes Vorhaben unter dem Himmel:

Zeit zu gebären und Zeit zu sterben,

Zeit zu pflanzen und Zeit auszureißen.

Zeit zu töten und Zeit zu heilen,

Zeit einzureißen und Zeit zu bauen.

Während die Ostsee ihr Wasser gelangweilt an die mecklenburgischen Strände wirft, Politiker über die Senkung des Solidarzuschlags diskutieren und sich ein Rabbiner erneut für sein Reden rechtfertigen muss, bröckelt es.

Nah bei Wismar – was wohl auch „nah bei jeder Stadt im Osten der Republik“ heißen könnte – liegt idyllisch zwischen Solarfeldern, Go-Kart-Bahnen und Sträuchern gelegen ein kleines Häuschen. Die Überreste eines kleinen Häuschens.

Spricht man von Resten, denkt man an Verfall: Werteverfall, Verfallsdatum und Verfallserscheinungen. Selbst Menschen können etwas oder jemandem verfallen sein. Verfall birgt eine ihm eigenartige Art von Anziehung. Eine Mischung aus Ekel und Neugierde, Interesse und Unbehagen befällt uns bei der Konfrontation mit Verfall. Der eigene oder fremde körperliche Verfall; der im Boulevard-Magazin oder am Gartenzaun angeprangerte sozial-ethische Verfall; die Frage nach dem Verfallsdatum von Schnäpsen; selbst der Verfall einer Lübecker Kaufmannsfamilie fesselt.

Das Spiel oder die Angst mit dem eigenen [wie auch immer gearteten] Verfall ist wohl unterunbewusst die stärkste Triebfeder für die Faszination des Bröckelns, Krümelns, Knarzens und Brechens. Aber warum verhindert man den Verfall nicht, wenn man ihn doch am eigenen Leib oder in der eigenen Nachbarschaft nicht verspüren will? Warum treiben 30 Meter hinter dem zukunfts-zugewandten Solarfeld Holzwürmer und Jahreszeiten unbehelligt ihr grimmiges Spiel?

Kohelet geht davon aus, dass es für alles unter dem Himmel eine Zeit gebe. Wann genau fängt sie aber an?

3-2013 Verfall-001

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Luzern

Im Sommer scheint d´Sonne

Im Winter da schneit´s

In der Schweiz

In der Schweiz

In der Schweiz

Vico Torrianis Hit steht für die Unbeugsamkeit der Eidgenossen und die Unbeugsamkeit des eidgenössischen Wetters im Kontext der Erderwärmung. In der Schweiz ist einfach vieles noch in Ordnung: Käse bleibt Käse und Pferdefleisch darf auch noch in 1/2 Kilo-Lasagne-Packungen eingeführt werden.

Paradox, denn im neuntgrößten Kanton der Schweiz, Luzern, wird trotzdem viel Kantonesisch gesprochen und jede tüchtige Europa-in-einer-Woche-Reise hat die Stadt der Zünfte und schlechten Tatorte als Destination fest im Programm!

Dabei wissen wir doch seit Jim Knopfs interkulturellen Reisen in den fernen Osten, dass Käse schließlich verschimmelte Milch ist und seit Lasse Spang Olsen, dass sie in China lieber Hunde essen! Warum wird dann also gerade die charmante Stadt am Vierwaldstättersee so gerne in Sandalen und Tennissocken angesteuert?

Die Antwort ist denkbar einfach: ___________

2-2013 Luzern-044

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Ex-Trendsportarten

Diese Geschichte ist sehr lange her, sie ist sozusagen schon ganz mit historischem Edelrost überzogen und unbedingt in der Zeitform der tiefsten Vergangenheit vorzutragen.

Es ist war der Reiz des Exklusiven, Teuren, Schönen und sicherlich auch der des Arroganten: Das, was sich hinter dem separatistischen Grün der Tennis-Platz-Sicht-Verhinderungs-Netze abspielte, konnte und sollte man nur erahnen. Kurze weiße Röcke, Stirn- und Schweißbänder, Polohemden und nicht zuletzt auch das modische Flaggschiff der Trendsportart # 1 der 70/er und 80er Jahre, der Pullunder, bewegten sich für den exkludierten Zaungast grobpixelig hinter dem, mit allerhand lokalen Werbemaßnahmen gespickten Sichtschutz. Wer spielte dort eigentlich: Die Tennispartner miteinander oder die Tennispartner mit dem Außen-Vor-Stehenden?

Es war die Zeit von Björn Borg, Ivan Lendl und später wohl auch die von Boris und Steffi. Die hier gewählte Zeitform, das Präteritum, deutet darauf hin, dass etwas von dem Glanz der alten Tage auf den Ascheplätzen der Republik verloren gegangen sein muss, denn…

Es ist Gras über die Sache gewachsen: Einen „Aufschlag“ weit vom Elbtunnel und der A7 entfernt, zur illegalen Müllhalde degradiert, von garstigem Buschwerk zerfurcht, fristet das ehemals exklusive Gelände der Plätze 1-6 sein jämmerliches Dasein. Es scheint fast so, als ob die Zauber wieder das binden, was die Mode streng geteilt, denn exklusive Trendsportarten sehen anders aus.

2-2013 Ex-Trendsportarten-040-2-2

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Wien

Es war um 1780
Und es war in Wien
No plastic money anymore
Die Banken gegen ihn
Woher die Schulden kamen
War wohl jedermann bekannt
Er war ein Mann der Frauen
Frauen liebten seinen Punk

Manchmal weiß man nicht genau, ob Städte ihre Kinder, oder Kinder ihre Städte berühmt machen: Mozart, Klimt, Schnitzler, Améry, Hölzel und wohl auch ein semi-talentierter Postkartenmaler, der in der Stadt an der Donau ein Interlude einlegte, sind stets mit Wien verbunden.

Wie dem auch sei – Wien kann mehr als seine Kinder. Unter anderem eine geschmeidige Stadt sein. Auch wenn die ein oder andere Fassade oder das ein oder andere Ladenlokal die besten Zeiten hinter sich hat: In Wien kann man sich die ein oder andere Scheibe Zachertorte und Coolness abschneiden!

@ Fabian: Alles Gute zur Hochzeit!

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