Island

Im Kampf gegen die Endlichkeit zählt Wille mehr als die Zahl der Beine

Fernreisen unternimmt der Deutsche immer gerne. Im Ausland gibt es häufig viel zu sehen, essen, trinken, beischlafen. Gerne nutzt man die Möglichkeit einer Gruppenreise, um dem Exotischen gemeinsam zu begegnen.

So ist auch das kleine Island mit seinen geothermalen Außergewöhnlichkeiten, klimatischen Extremen und visuellen Kostbarkeiten nicht nur nach dem „Aschemonster“ ein beliebtes Reiseziel.

Doch Obacht: Kommt dem Gruppenreisenden ein allzu exotisches Wesen auf zwei Rädern entgegen, das wohlmöglich auch noch die eigene, gänzlich unexotische Sprache spricht, dann hat die Toleranz mit anderen Reisearten schnell ein Ende: „So etwas kann keinen Spaß machen!“ Ebenso gilt es, auch die mittägliche Verpflegung im Hochland-Restaurant – nach dem Ausstieg aus dem wohl klimatisierten Bus – streng nach den Vorschriften der Obersturmbandführerin Reiseleiterin einzunehmen, um den dezidiert isländischen Geschmack von Heringsdipp korrekt zu erfahren: „Halt, den Dipp darf man nur mit diesem Schwarzbrot essen!“ Wohl bekomm´s!

Was aber macht denn nun Spaß an Nebel, Schotterpisten, Gegenwind und 14%iger Steigung auf Bergpässen? Vielleicht nichts. Vielleicht aber auch eben die Freunde am Kampf gegen Nebel, Schotterpisten, Gegenwind und 14%iger Steigung auf Bergpässen an deren Ende die Welt nicht nur durch die Scheibe eines Reisebusses erfahren wird.

Dank an / Thanks to:

Berlin-Hannover-Crew für die ersten (Höhen)Meter und Nüsschen,

Cathy & John for offering porridge,

Erik for talking about cars and clothes of older people,

Marion & Patrick für Studiosus-Bashing und Kampf gegen Buckel,

Karin, Markus & Mia für „Wellblech im ausgehenden Spätkapitalismus – eine Kritik“ und

Friðörson & Hans Fjörðör für überhaupt!

7-2013 Island-738

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Färöer

Je nach Stattlichkeit Ihres Schnurrbartes einen Strang aus der Tube zwischen Daumen und Zeigefinger verreiben und von der Bartmitte aus gleichmäßig in den Schnurrbart einzwirbeln.

Dem Zwang der assoziativen Lockerung folgend/verfallend, wird der irritierte Leser mit der Gebrauchsanweisung eines bayrischen Bartwichse-Herstellers hier ganz ungalant auf eine kleine, autonome und dennoch zur dänischen Krone gehörende Inselgruppe im Nordatlantik gelockt.

Denn es gibt Dinge und Orte auf dieser Welt, die durch ihre Stattlichkeit bestimmtes Verhalten erfordern: Stattliche Schnurrbärte erfordern entsprechend viel Bartwichse und stattliche Inseln erfordern – was eigentlich?

Der/Die/Das National Geographic gab 2007 eine Untersuchung von 111 Inselkulturen dieses Planeten in Auftrag, um DIE Insel zu küren. Aufgrund ihrer Stattlichkeit [bzw. der Kriterien „Qualität von Umwelt und Öko­logie, soziale und kulturelle Einheitlichkeit, Zustand histo­ris­cher Gebäude und archäolo­gisches Interesse, ästhe­tischer Reiz, verantwortliches Touris­mus­manage­ment und Zu­kunft­s­aussichten“] wurden die Färöer zur Königin der Inselwelt ernannt. Dass die charmanten Felsen zwischen den britischen Inseln, Island und Norwegen nicht nur über Fussballstadien von hoher Stattlichkeit, sondern auch über die in (geographisch gesehen) Europa höchste Lebenswartung bei Männern verfügen, soll hier nur am Rande erwähnt sein.

Zurück zur Frage, was eine stattliche Inselgruppe erfordert: ISO-Werte unter 100, Blenden größer/kleiner [je nach Denkrichtung] f10 und einen von Staub befreiten Sensor. Mehr nicht. Zumindest fotografisch gesehen…

7-2013 Faeroer-26

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Luzern

Im Sommer scheint d´Sonne

Im Winter da schneit´s

In der Schweiz

In der Schweiz

In der Schweiz

Vico Torrianis Hit steht für die Unbeugsamkeit der Eidgenossen und die Unbeugsamkeit des eidgenössischen Wetters im Kontext der Erderwärmung. In der Schweiz ist einfach vieles noch in Ordnung: Käse bleibt Käse und Pferdefleisch darf auch noch in 1/2 Kilo-Lasagne-Packungen eingeführt werden.

Paradox, denn im neuntgrößten Kanton der Schweiz, Luzern, wird trotzdem viel Kantonesisch gesprochen und jede tüchtige Europa-in-einer-Woche-Reise hat die Stadt der Zünfte und schlechten Tatorte als Destination fest im Programm!

Dabei wissen wir doch seit Jim Knopfs interkulturellen Reisen in den fernen Osten, dass Käse schließlich verschimmelte Milch ist und seit Lasse Spang Olsen, dass sie in China lieber Hunde essen! Warum wird dann also gerade die charmante Stadt am Vierwaldstättersee so gerne in Sandalen und Tennissocken angesteuert?

Die Antwort ist denkbar einfach: ___________

2-2013 Luzern-044

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Herbst

Bunt sind schon die Wälder
gelb die Stoppelfelder
und der Herbst beginnt
kühler weht der Wind

Kompetenzen sind in aller Munde: Führungskompetenz, Handlungskompetenz, Schreibkompetenz, Kochkompetenz, Schlafkompetenz, Witzkompetenz, Zahnputzkompetenz… Alles was man kann oder können sollte, wird kompensiert kompetisiert irgendwie mit schlauen Titeln zusammengefasst.

Auf gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge umgemünzt: Gemessen an seinen Kompetenzen kann sich jeder so viel kaufen, wie er/sie Kleingeld hat…

Im schulischen Kontext wird ja auch gerne mal der Begriff Lesekompetenz eingebracht: Verstehen, Reflektieren und Verwenden von Texten für eigene Ziele und zur Partizipation am gesellschaftlichen Leben: Was kann da vorteilhafter sein, als wie wenn junge Buben die Durststrecken des motivational primär unterirdischen Deutschunterrichts damit überbrücken, alte Lieder über den Herbst in neue, fetzige Formen zu bringen – beispielsweise auf die Melodie von: The Muppetshow! Und wenn da der ein oder andere Vers über Bord geht – es geht schließlich um die Partizipation am gesellschaftlichen Leben!

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Indien (Rajasthan)

„Hello my friend! Where are you from?“

„Czech republic.“

„Ah, great! Where is it?“

„Near to new zealand.“

„Ah, right! I remember!“

Über Rajasthan viel zu schreiben, verbietet sich streng genommen, denn der im Nord-Westen Indiens gelegene Staat ist eigentlich nur seh-, riech-, fühl- und/oder hör-bar, weniger beschreib-bar.

Unendlich viele Farben und Formen lungern an jeder Straßenecke, bereit, einem die Augen zu weiten.

Ungeahnte – oft auch ungewollte – Gerüche warten im nächsten Innenhof auf das nichts-ahnende olfaktorische Opfer.

Unverschämte Temperaturen von bis zu 45Grad Celsius schmachten danach, einen zum Bratmaxe werden zu lassen.

Viel Spaß beim Sehen – der Rest muss irgendwie bereist werden!

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Indien (Agra)

And through the leaves and concrete you´re gonna grow into something that death can´t steal

Eine junge Frau lässt vor einem bekannten Reiseziel durch ihre Freundin unzählige Fotos von sich machen. Danach fotografiert sie ihre Freundin. Sie begutachten die Bilder auf dem Bildschirm. Sie freuen sich über die gelungene Bildkomposition, ihr Lächeln, ihre pfiffigen Posen… Sie laden die Bilder in einem bekannten sozialen Netzwerk hoch. Freunde kommentieren die Bilder. Die Bilder überdauern ihre Jugend, ihre Schönheit und andere Unannehmlichkeiten des Lebens.

Ein alter Mann nimmt an seiner elektrischen Orgel Lieder auf. Er beherrscht sein Instrument, er beherrscht die Titel: Toccaten, Marienlieder, Rumba-Klassiker, Eigenkompositionen. Er freut sich. Auch sein Nachbar hört die Lieder in digitaler Form bei sich nebenan. Der alte Mann wird älter und scheidet aus der Welt. Auf seiner Beerdigung werden seine Lieder gespielt. Sie überdauern ihn, die Sommer, die Herbste und die Winter.

Eine Frau und ein Mann lieben sich. Sie zeugen 14 Kinder. Bei der Geburt des 14.Kindes stirbt die Frau. Der Mann trauert. Monate. Jahre. Zum Gedenken an seine Frau baut er eine Gruft, eher ein Denkmal. Unzählige Arbeiter verbauen unzählige Tonnen Marmor, Schnitzereien und Arabesken zum Angedenken der Frau. Der Prunk und Glanz des Baus lässt dem Mann die Trauer leichter gelingen. Die Gruft, das Denkmal wird bekannter als die Frau selbst. Es wird zur Sehenswürdigkeit. Auch der Mann stirbt. Ihm wird kein Denkmal gebaut. Er wird in der Gruft seiner Frau bestattet.

Was bleibt von uns, wenn wir gehen? Was macht uns unsterblich? Was kann uns der Tod nicht rauben?

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